Mit Lebensweisheiten ist das ja so eine Sache. In der Regel bekommt man sie ungefragt mitgeteilt und meistens in genau den Momenten, in denen man so gar kein offenes Ohr dafür hat. Selber Lebensweisheiten zu verteilen, ist moralisch gesehen aber noch viel schwieriger. Darf man überhaupt seine persönliche Sicht der Dinge als Richtschnur für das Leben eines anderen ausgeben? Ist das nicht anmaßend? Und muss nicht eh jeder seine eigenen Fehler machen, um an ihnen wachsen zu können?
Vielleicht sollte man das Teilen der persönlichen Weltsicht eher als Inspirationsangebot verstehen. Ich stelle mir das so vor: Alle Erlebnisse, die man in seinem Leben sammelt, wandeln sich in Retrospektive zu Erfahrungen, verändern sich dadurch und erlauben es uns, sie anders zu betrachten. Ein bisschen so, wie wenn aus Glasscherben am Strand über die Jahre durch Sand und Salzwasser geschliffene, bunte Steine entstehen. Und diese Steine kann man verschenken. Ob der andere darin weiterhin Glasstücke sehen möchte, bleibt ihm selbst überlassen.
Wenn mich jedenfalls die kleine Tochter meiner liebsten Freundin irgendwann fragen würde, welche Tipps für ein glückliches Leben ich ihr geben könnte, dann würde ich das hier antworten – völlig subjektiv, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit einem kleinen Zwinkern im Auge:
Iss jeden Tag Kuchen. Benutze mindestens Lichtschutzfaktor 15, auch im Winter. Bereise so viele Länder auf dieser Welt, wie es dir möglich ist. Du wirst in jedem Land etwas Neues über dich selbst lernen. Sei so oft du kannst irgendwo, wo die Sonne scheint, aber wenn es regnet, ärgere dich nicht über den Regen. Finde einen Kleidungsstil, der zu dir passt, egal was andere dazu sagen. Hauptsache, du hast einen Stil. Versuche, nicht mit dem Rauchen anzufangen – und wenn du es doch tust, dann immer mit Genuss. Finde den perfekten roten Lippenstift für deinen Teint. Tue selbstlos Dinge für andere Menschen, aber gib dich nie selbst auf. Lies Bücher, die älter sind als du. Frage deine Großeltern, in welchen Momenten in ihrem Leben sie am glücklichsten waren. Mache dir selbst jeden Tag bewusst, was dich an genau dem Tag glücklich gemacht hat. Heirate, wenn du willst. Oder lass es. In jedem Fall verliebe dich so oft du kannst, es gibt kein schöneres Gefühl auf der Welt. Sei neugierig. Sei nie genügsam. Mache Dinge, die dir Angst machen, du wirst an ihnen wachsen. Vergiss nie, wo du herkommst, aber bleibe nicht da. Hab einen großen Bekanntenkreis, aber nur eine Handvoll guter Freunde. Sei für deine Freunde der beste Mensch, der du sein kannst. Versäume nie, ein ehrliches Kompliment auszusprechen. Schenke dir selber Blumen. Finde eine Sache, in der du richtig gut bist, und sei stolz darauf. Kaufe mit über 30 keine Taschen oder Schuhe aus Kunstleder mehr. Sprich einfach so mit fremden Menschen und freue dich über jede spontane Unterhaltung, die entsteht. Verliere nie den Glauben daran, dass morgen alles besser sein wird. Lerne mindestens eine weitere Sprache außer deiner eigenen. Sei nachsichtig mit deinen Eltern, sie sind es mit dir auch. Arbeite nie mehr als du musst, um genug Geld zu haben für das Leben, das du leben möchtest. Genieße die Sorglosigkeit deiner Jugend, auch wenn dir deine Jugend nicht sorglos vorkommt (glaub mir, sie ist es). Lerne, alleine zu sein, um dich noch mehr an der Gesellschaft anderer Menschen erfreuen zu können. Nimm Hilfe an, wenn du sie brauchst. Sage nie „das mag ich nicht“, bevor du es versucht hast. Nimm dir die Freiheit, Dinge zu tun, für die andere Menschen dich für verrückt halten werden. Höre nie auf, dich über die Welt zu wundern. Aber das Wichtigste: Iss jeden Tag Kuchen.