The COVID Diaries: Beate and Janine

Beate Lehmann
Nettetal, Germany
Selbständige Veranstaltungs-Allrounderin


Wo bist du gerade in diesem Moment und wie geht es dir? 

Ich sitze in meinem Düsseldorfer Büro, bearbeite Mails und Papierberge. Vor mir steht eine Vase mit einer Sonnenblume, die mich fröhlich ansieht. Das macht gute Laune. Mir geht es gut, und ich bin mit meinem Leben zufrieden.

Wenn du auf die letzten Monate zurückschaust, womit hattest du am meisten zu kämpfen?

Wir haben zu Beginn der Pandemie beschlossen, den bereits geplanten Wohnortwechsel von Düsseldorf in die „Grüne Hölle“ gut ein Jahr vorzuverlegen. Die „grüne Hölle“ ist mein liebevoller Name für Nettetal am Niederrhein, wo ich mit meinem Mann und 11 Schafen in einer WG lebe. Also wir in einem alten Bauernhaus, die Schafe draußen ;-)

Zu diesem Zeitpunkt war meine Agentur vorübergehend geschlossen. Der Umzug war eine sehr gute Entscheidung. Ich hatte Zeit, viel über Schafhaltung, Wassermanagement, Weidewirtschaft und Gartenpflege in Zeiten des Klimawandels – in unserem Fall Dürre – zu lernen. Eine sehr lehrreiche Zeit.

Ein Kampf begann, als ich im Mai völlig überrascht die erste Anfrage für einen Job in meinen Mails fand. Ich war unmotiviert-lustlos, hatte alle möglichen anderen Pläne, die aber kaum etwas mit der Arbeit in der Agentur zu tun hatten. Es ist mir zunächst schwer gefallen, Arbeitstage im Büro zu planen, weil ich schlichtweg keine Lust hatte und mich in meiner vorgezogenen Teilzeitrente gut eingelebt hatte. Inzwischen bin ich 1-3 Tage im Büro, je nachdem, was anfällt. Die Verschiebungen von Veranstaltungen wegen Corona begleiten die Arbeit noch immer, es gibt aber auch andere, teilweise neue Aufgaben.

Auch das Besuchsverbot von März bis Mitte Juni in der Behinderteneinrichtung, in der mein Bruder lebt, habe ich als Kampf empfunden.  Es war schwierig Kontakt zu halten, den Geburtstag, irgendwas irgendwie zu organisieren, Nähe zu zeigen, ohne da sein zu können.

Hast du durch Corona irgendetwas über dich selbst gelernt, das du vorher noch nicht wusstest?

In der Rückschau bin ich erstaunt, wie schnell und vollständig ich mich von meiner so gerne ausgeführten Berufstätigkeit, fast schon Passion, lösen und in eine neue Aufgabe stürzen konnte.

Man sagt ja, dass jede Krise auch eine Chance ist, zu wachsen. In welchen Bereichen bist du in den letzten Monaten (über dich hinaus) gewachsen?

Hmm, die Grüne Hölle ist ein Riesen-Projekt mit vielen Fallstricken, Herausforderungen und neuen Themen. Das Leben dort ist manchmal schwierig, vielleicht wäre es einfacher gewesen, weiter in einer netten Eigentumswohnung in Düsseldorf zu leben. Aber ich empfinde es nicht als Verlassen der Komfortzone. Eher: Finden einer interessanteren Komfortzone und neuen Perspektive.

COVID-19 ist das beherrschende Thema dieses Jahres. Welches Thema, das du extrem wichtig findest, bekommt nicht genug Aufmerksamkeit im Moment?

Alle Themen (Umwelt, Klimawandel, soziale Balance, gesellschaftliches Klima), die vorher wichtig waren. Große Teile der Gesellschaft sind mit Nabelschau und Jammern über den Verlust einer Komfortzone beschäftigt. Es fehlt die Bereitschaft sich auf Neues, Ungewohntes einzulassen und sich in Rücksichtnahme zu üben.

Egal, wie kompliziert, verwirrend oder hart das Leben auch sein mag – es gibt immer eine Vielzahl von Dingen, für die wir dankbar sein können, wenn wir uns die Zeit nehmen, die Augen nach ihnen offenzuhalten. Für welche drei Dinge bist du heute dankbar?

Ich habe meinen Traummann vor 18 Jahren gefunden, mit dem zusammen ich dieses Abenteuer beginnen konnte, weil auch er Freude daran hat. 

Vor acht Jahren hatte ich eine unerfreuliche, ernste Erkrankung. Diese habe ich überstanden und bin wieder weitgehend hergestellt. Das ist ein großes Geschenk und Glück.

Ich habe einige sehr liebe Freunde, mit denen ich seit vielen Jahren verbunden bin. Trotz – oder vielleicht wegen Corona – sind die Verbindungen teilweise enger geworden. So auch zu den Kindern meines Mannes.


Janine
Neuss, Germany
Head of Marketing


Wo bist du gerade in diesem Moment und wie geht es dir?

Im Moment sind wir in Portugal. Ich bin so froh, dass wir die Reise antreten durften. Für mich ist es super wichtig, dem Alltag ein wenig zu entfliehen und zeitweise andere Menschen/ andere Umgebungen wahrnehmen zu können. Das ist meine Art, Kraft zu tanken.

Durch die COVID Situation habe ich meine Freiheit noch mehr schätzen gelernt und daher fühle ich mich in diesem Moment frei und bin dankbar für jeden Tag in Portugal.

Wenn du auf die letzten Monate zurückschaust, womit hattest du am meisten zu kämpfen?

Zuerst dachte ich, es sei diese Art von Beschränkung und Kontrolle. Den Gedanken habe ich aber recht schnell bändigen können und muss ehrlich gestehen, dass die Kombination aus Homeoffice und Betreuung meiner kleinen eineinhalbjährigen Tochter mehr als ein Struggle war. Man möchte jedem und allem gerecht werden und versucht, sowohl der Arbeit nachzugehen als auch das Kind bestmöglich weiterhin zu erziehen und zu entertainen – und merkt schnell, dass das nicht möglich ist.

Alle Bemühungen führen bei allen Beteiligten zu Frustration, denn die Situation ist alles andere als „normal“. Auch wenn die Zeit mit Mama anfangs total schön ist, merkt selbst eine Eineinhalbjährige, dass aktuell etwas nicht stimmt. Die Anspannung der Eltern, der Stress, die Zeit von Mama am Computer, das Wort Nein, das im Laufe der Zeit immer öfters kommt – Unzufriedenheit äußert sich auf verschiedenen Wegen. 

Ich musste persönlich lernen, dass Erziehung in dieser Situation eventuell zurückstecken muss und das Kind mal eine Stunde einen Film sehen darf, damit Mama die Mails beantwortet und dann ausgeglichener ist, weil man das Gefühl hat, dass alles läuft. Irgendwann hat sich die Situation total eingependelt und wir sind ein richtiges COVID-Team geworden.

Hast du durch Corona irgendetwas über dich selbst gelernt, das du vorher noch nicht wusstest?

Ich habe so viele negative Eigenschaften an mir kennengelernt, die ich ganz schnell bändigen musste. Diese innerliche Unruhe, der Stress und auch eine unerträgliche Strenge waren definitiv Eigenschaften, die ich identifiziert habe und schnell wieder über Bord werfen wollte, da ich mich selbst nicht wohl gefühlt habe.

Es gab aber auch positive Aspekte: Auch wenn man weiß, dass es uns gut geht, ist mir nochmal aufgefallen, WIE gut ich es persönlich habe. Wir sind alle gesund und als Team schaffen wir alle Situationen und meistern alles, was wir wollen. Zudem ist mir verstärkt aufgefallen, wie sehr ich einfach täglich in die Natur muss, um im Gleichgewicht zu bleiben.

Man sagt ja, dass jede Krise auch eine Chance ist, zu wachsen. In welchen Bereichen bist du in den letzten Monaten (über dich hinaus) gewachsen?

Mein Vater schwärmt seit Jahren über Weinanbaugebiete und wie sehr er gerne seine eigenen Flaschen Wein produzieren möchte. Wir haben uns intensiv darüber unterhalten und letztendlich habe ich ihn dazu ermutigt, nun endlich die Gelegenheit zu ergreifen und mit seinem Projekt zu starten. Ich habe mich in die Weinwelt reingelesen und mit ihm schon einige Steps erarbeitet, auch wenn ich sonst nicht so ein Fan von „einfach mal tun“ (ohne 100% Know-how zu haben) bin. Letztendlich fühlt es sich super gut an.

COVID-19 ist das beherrschende Thema dieses Jahres. Welches Thema, das du extrem wichtig findest, bekommt nicht genug Aufmerksamkeit im Moment?

Gerade während des Shutdowns light, den wir erlebt haben, ist mir aufgefallen, wie wichtig regionale Produkte sind. Persönlich kaufe ich gerne beim Bioland Lammertzhof ein und empfehle es auch vielen Menschen in der Umgebung. Es wird immer viel über Natur und Mutter Erde gesprochen, allerdings geraten meiner Meinung nach solche kleinen Schritte, die man machen kann, in Vergessenheit.

Auch wenn sich die Gesellschaft aktuell mehr denn je mit Konsum und Lebensmitteln auseinandersetzt, ist es super wichtig zu erläutern und zu erklären, was WIR alles im Alltag dazu beitragen können. Dazu gehört nicht nur Mull richtig sortieren, sondern auf regionale Produkte zu setzen, Fleischkonsum zu reduzieren, einfach bewusster konsumieren.

Egal, wie kompliziert, verwirrend oder hart das Leben auch sein mag – es gibt immer eine Vielzahl von Dingen, für die wir dankbar sein können, wenn wir uns die Zeit nehmen, die Augen nach ihnen offenzuhalten. Für welche drei Dinge bist du heute dankbar?

Gesundheit 
Freiheit (Reisefreiheit)
Natur

>>> Read the previous chapters of The COVID Diaries here:
Kat and Petrie’s story

Kim and Anne’s story

>>> Read the introduction to The COVID Diaries here

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