Manchmal muss man wohl abheben, um einen Blick aufs große Ganze zu bekommen. „The big picture“ nennt es der Amerikaner und als ich auf meinem wolkenlosen Inlandsflug von Chicago nach LA die Welt unter mir betrachte, kann ich nur zustimmen: Das Bild, das sich mir bietet, ist gigantisch. Wir überqueren rötlich zerklüftete Wüsten, in denen für hunderte von Meilen nichts menschlich Zivilisiertes erkennbar ist. Nicht mal eine einsame Straße, die sich durch die bizarren Fels- und Sandformationen frisst. Mein an europäische Dimensionen gewöhntes Ich ist starr vor Ehrfurcht und vergisst für viele kleine Momente sogar seine latente Flugangst. Fliegen ist eine interessante Form des Kontrollverlustes. Man gibt sich und sein Leben völlig und irreversibel – in meinem Fall zumindest für vier Stunden und zehn Minuten – in die Hände eines völlig Fremden, der eine an Größenwahnn grenzende technische Konstruktion zehntausende Fuß über dem Boden von einem Ort zum anderen steuert. In diesen Momenten kann man sein Schicksal wohl nur annehmen und darauf vertrauen, dass der liebe Gott, Buddha, Shiva & Co. noch viele weitere Pläne mit einem haben.
Der Kontrollverlust beim Fliegen und die inhärente Gefahr seines möglichen Scheiterns hat (wenig überraschend) viele Schriftsteller fasziniert. Eine Notlandung erschüttert die Welt des „Homo Faber“ in ihren Grundfesten und der Erzähler in „Der kleine Prinz“ begegnet selbigem überhaupt nur, weil er mit seinem Flugzeug unfreiwillig in der Wüste zu Boden gekommen ist. Eine meiner Lieblingsepisoden in dem kleinen Buch ist die Diskussion um das Schaf. Der kleine Prinz wünscht sich ein Schaf, das der Erzähler ihm bitte zeichnen soll. Nun ist der kleine Kerl aber nicht leicht zufrieden zu stellen: Nummer eins ist in seinen Augen kein Schaf, sondern ein Bock, Nummer zwei sieht kränklich aus. Unendlich weise (oder unendlich entnervt, Saint-Exupéry überlässt das ein bisschen der Interpretation) zeichnet der Erzähler schließlich eine Kiste mit drei Atemlöchern darin. „Das Schaf, das du möchtest, befindet sich hier drin.“ Ha!
Wie gerne möchte ich demnächst mal jemandem, der mich mit seinen Forderungen nervt, einfach still und entspannt eine kleine Zeichnung über den Tisch schieben. Wahrscheinlich würde ich aber lediglich in große Fragezeichenaugen blicken. Zu verkopft intellektuelle Scherze sind immer schwierig und müssen äußerst zielgruppengenau eingesetzt eingesetzt werden. An der Tür eines Professors an unserer Uni hing ein Schild, das dem Großteil der Vorbeigehenden wohl maximal eine hochgezogene Augenbraue bescherte, über das wir Anglistikstudenten uns aber regelmäßig ausschütteten vor Lachen: „Be right back. Godot“. In diesem Sinne.
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