Es gibt Dinge, die sind in der Theorie um einiges cooler als in der Praxis. Schwimmen im Mondschein beispielsweise (von pechschwarzem Wasser umgeben zu sein ist nämlich verdammt unheimlich), Mom-Jeans (stehen wirklich niemandem!) oder den Spiegel jede Woche von vorne bis hinten durchlesen (benötigt nachgewiesenermaßen so viel Zeit, wie ein kompletter Roman). Alles im Grunde super Sachen, aber irgendwie ist immer ein Haken dran. Goldene Milch ist so ein weiteres Beispiel. Wem das Trendgetränk der Stunde noch nichts sagt – es handelt sich um eine Mischung aus (Pflanzen-)milch und Kurkuma, abgerundet mit schwarzem Pfeffer und einer Prise Zimt sowie je nach Rezept Kokosöl und/oder Honig. Keine Zeitschrift, die gerade nicht in jeder zweiten Ausgabe über das angesagte Heißgetränk schreibt und kein trendy Coffeeshop, der nicht auf einmal „Golden Milk“ oder „Kurkuma Latte“ auf der Karte stehen hat. Selbstredend gibt es mit #goldenmilk auch einen eigenen Hashtag auf Instagram. Kurzum: Goldene Milch ist das momentane Lieblings-Getränk der Healthy Hipster.
Entgegen dem, was man vermuten könnte, wurde das Getränk nicht anno 2017 in irgendeinem Öko-Café in Berlin-Prenzelberg kreiert, sondern ist seit Ewigkeiten ein fester Bestandteil der ayurvedischen Heilküche. Kurkuma ist eine jahrtausendealte Heilpflanze mit erwiesen positiven gesundheitlichen Eigenschaften. Die noch viel wichtigere Nachricht aber: So eine Goldene Milch schmeckt richtig gut! Was einem aber keiner sagt: Man saut sich bei der Zubereitung komplett ein! Zumindest, wenn man so ungeschickt ist wie ich. Denn: Kurkuma färbt wie blöd. Rote Beete, Heidelbeeren, Granatapfel? Alles ein Scheißdreck gegen Kurkuma. Ich lief nach meinem ersten Zubereitungsversuch gute zwei Tage mit Fingern wie ein Kettenraucher durch die Gegend, weil ich beim Schälen der frischen Kurkuma-Wurzel keine Einmalhandschuhe angezogen hatte. Beim nächsten Mal (man wird ja schlauer) nahm ich getrockneten Kurkuma. Leider stieß ich unachtsam gegen das Gewürzgläschen und der Inhalt breitete sich auf meiner Küchen-Arbeitsfläche aus, was einen Moment lang wunderschön aussah, so ein bisschen wie diese Mandalas aus buntem Sand, die tibetische Mönche machen. Unglücklicherweise ist Kurkuma-Pulver weniger vergänglich als bunter Sand – meine Arbeitsplatte weist noch heute, Tage später, an unregelmäßigen Stellen goldgelb getönte Flecken auf.
Wo wir grade beim Thema Superfoods sind: Neulich war ich mit einer Freundin auf einem wunderbaren Konzert. Die Musik war toll, die Halle voll und wir hatten eine Unmenge Spaß umgeben von lauter gutgelaunten Menschen. Als ich am Ende des Abends kurz die Damentoilette aufsuchte und mich glücklich im Spiegel angrinste, entdeckte ich zwischen meinen Vorderzähnen dicke, dunkle Chiasamen aus meinem selbstgemachten Müsliriegel, den ich auf dem Weg zum Konzert gegessen hatte. Scheinbar war ich so den ganzen Abend durch die Menschenmenge gelaufen. Herrlich! Ich kann nur hoffen, dass meine Gegenüber nicht so genau hingeschaut haben und (gar nicht so unwahrscheinlich im schummerigen Konzert-Licht) das Dunkle zwischen meine Zähnen für eine charmante Zahnlücke à la Vanessa Paradis oder Georgia May Jagger gehalten haben. Ich stelle mit folgendes Heimfahrt-Gespräch zwischen den beiden zwanzigjährigen Mädchen, die während des Konzertes hinter uns gestanden hatten, vor. Mädchen Nummer 1: „Hast du die Frau mit der Zahnlücke gesehen? Die hatte ja mega Kettenraucherfinger!“ Mädchen Nummer 2: „Ja, aber die hatte auch mega Spaß, die hat die ganze Zeit getanzt!“. Ich glaube, damit könnte ganz gut ich leben.
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