Ein Augenrollen, ein mitleidiges Lächeln, ein verächtliches Schnauben, ein fragender Blick, eine besorgte Hand auf meinem Arm – alles Reaktion, die ich schon bekommen habe, wenn ich im Freundes- oder Familienkreis „normales“ Essen mit der Begründung ausgeschlagen habe, dass ich lieber vegan esse. Es scheint, als wäre die Wahl meiner Ernährungsform weit mehr als eine persönliche Entscheidung – zumindest fühlt sich jeder genötigt, sie in irgendeiner verbalen oder nonverbalen Form zu kommentieren. Zu sagen, dass man vegan isst, löst etwas in anderen aus.
Nicht alle Reaktionen sind durchweg negativ, aber es sagt auch selten jemand: Wow, wie mutig, dass du die gängige Ernährungsnorm hinterfragst! Wie toll, dass du so leben willst, dass kein Tier für deine Ernährung leiden oder sterben muss! Wie inspirierend, dass du dich so bewusst damit auseinandersetzt, was du deinem Körper an Nahrung und Nährstoffen zuführst!
Was ich dagegen häufig erlebe, sind „aber“-Reaktionen. Etwa: Ich würde ja auch gerne mehr auf meine Ernährung achten, aber mit Kind und Familie geht das einfach nicht. Oder: Ich finde es ja grundsätzlich auch nicht gut, dass Tiere sterben müssen, aber der Mensch ist nunmal ein Allesfresser. Gerne auch: Ich wollte auch mal versuchen vegan zu leben, aber das war mir einfach zu kompliziert.
Es scheint, als gäbe es mehr als genug gute Gründe, sich nicht vegan zu ernähren. Oder etwa doch?
Was man vom Dalai Lama und von Weißwürsten lernen kann
Mir ist bewusst, dass ich mit diesem Beitrag Meinungen spalten werde. Für diejenigen, die jahrelange, überzeugte Veganer sind, bin ich nicht radikal genug sein. Für diejenigen, die sich nicht vegetarisch oder vegan ernähren, vielleicht schon zu radikal. Deshalb an dieser Stelle der offizielle Disclaimer: All das hier ist nur meine ganz persönliche Sicht der Dinge, ohne irgendeinen Anspruch auf eine allgemein gültige Wahrheit!
Ich versuche nicht, mit diesem Artikel irgendjemanden davon zu überzeugen, seine Ernährungsweise zu ändern, noch will ich sagen, dass meine Art mich zu ernähren die Richtige ist. Sie fühlt sich für mich richtig an – und wenn ich jemanden dazu inspirieren kann, öfter mal Fleisch oder Fisch gegen Gemüse, Getreide oder Hülsenfrüchte zu tauschen, dann freue ich mich. Ich predige aber nicht und ich verurteile nicht.
In der Yogaphilosophie gibt es das zentrale Konzept von „ahimsa“, was oft mit „Gewaltlosigkeit“ übersetzte wird und so viel heißt wie, dass man niemandem Leid zufügen soll. Aus diesem Konzept abgeleitet macht eine vegane Ernährung für mich allen Sinn der Welt – ich möchte nicht, dass Tiere beispielsweise durch Massentierhaltung für meinen Genuss leiden müssen. Ahimsa heißt aber auch, andere Menschen nicht zu verletzen und ihre Ansichten zu respektieren. Es gibt eine wunderbare Anekdote über den Dalai Lama, der, obgleich er bekennender Vegetarier ist, bei einem Besuch in München angeblich eine Weißwurst gegessen hat, um die Gefühle seines Gastgebers nicht zu verletzen. Er musste in dem Moment abwägen, welche Form von Gewaltlosigkeit er höher priorisiert, und entschied sich in dieser speziellen Situation für den Respekt gegenüber seinem Gastgeber.
Was ich mit dieser Geschichte sagen will: Es gibt keine absoluten Wahrheiten und je verbissener man sich an ein Konzept klammert und sich mit ihm identifiziert („Ich BIN Veganer“ – als wäre das alles, was einen ausmacht), desto limitierender und potenziell negativ wird es.
Nenn mir drei gute Gründe!
Es gibt dennoch eine Menge guter Gründe, warum es sich lohnt, sich das mit der veganen Ernährung einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Meine persönlichen Top 3 sind diese hier:
1. Das eigene Wohlbefinden
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Studien, die nachweisen, dass Menschen, die sich vegan ernähren, weniger häufig an den typischen Zivilisationskrankheiten wie Diabetis oder Herzkrankheiten leiden. Veganer haben in der Regel mehr Energie und fühlen sich fitter als Menschen, die häufig tierische Lebensmittel zu sich nehmen,
Das Wichtigste dabei: Sich vegan zu ernähren heißt keinesfalls, dass man auf Genuss verzichten muss, wie vielleicht viele denken. Vegane Küche ist unglaublich kreativ und abwechslungsreich. Anfangs braucht es vielleicht ein Umdenken, um im Kopf aus „Beilagen“ eine Hauptmahlzeit zu machen. Aber wer vegan kocht, erweitert definitiv seinen kulinarischen Horizont! Das Tolle dabei: Selbst nach einem fulminanten Mahl fühlt man sich selten schlecht, vollgestopft und lethargisch, sondern im Gegenteil einfach nur satt, energiegeladen und glücklich.
Aktuelle Beispiele aus meiner Küche?
- Kokos-Curry mit Kartoffeln und grünen Bohnen mit schwarzem Reis
- Quinoa-Gewürzporridge mit gegrillter Ananas
- Kichererbsen-Pfannkuchen mit Tandoori-Süßkartoffeln und Guacamole
- Pasta mit cremiger Schnittlauchsauce und gebratener Zucchini
- Haselnuss-Schoko-Tarte
- Vietnamesisches Sandwich mit Zitronengras-Tofu und eingelegtem Gemüse
- Karotten-Ingwer-Süßkartoffel-Suppe mit gebratener Chili-Banane
- Gelbe Linsen Dhal mit indischen Gewürzen und gerösteten Haselnüssen
- Hafer-Pancakes mit Zimt-Äpfeln
- Salted Caramel Fudge
Alles vegan, alles einfach zuzubereiten (ich bin eine sehr faule Köchin) und alles super lecker!
Ich gebe übrigens gerne Empfehlungen für vegane Kochbücher. Schreibt einfach in das Kommentarfeld, wenn ihr euch dafür interessiert!
2. Ethische Gründe
Wer schon einmal Bilder oder Filme über Massentierhaltung und unsagbare Schlachtmethoden gesehen hat, weiß, wie schwer es ist, diese Bilder wieder aus dem Kopf zu bekommen. Und das ist auch gut so! Jeder von uns hat es mit seinem eigenen Konsumverhalten in der Hand, ob er zu einer solchen Welt beitragen will – oder eben nicht. Und wer tief in sich hineinhört, weiß die Antwort darauf eigentlich auch. Anstatt das schlechte Gefühl zu verdrängen, sollte man lieber überlegen, wie man in seinem gerade möglichen Rahmen etwas verändern kann.
Vielleicht ist der erste Schritt, eben nicht mehr Eier aus Legebatterien, abgepacktes Fleisch aus der Supermarkt-Theke oder die H-Milch für 19 Cent zu kaufen, sondern solche Lebensmittel lieber auf dem Wochenmarkt oder beim Bio-Bauern zu erwerben. Ja, etwas teurer und vielleicht deshalb seltener, aber dafür qualitativ hochwertiger und bewusster zu genießen.
Man muss ja nicht von Null auf vegan gehen – keiner sagt, dass es nur schwarz oder weiß geben darf. Mit jedem Kauf hat man die Wahl, immer wieder aufs Neue! Und da kann man was draus machen.
3. Die Umwelt
Tierhaltung in dem Ausmaß, wie sie im 21. Jahrhundert betrieben wird, ist definitiv schädlich für unseren Planeten. Massentierhaltung trägt enorm zur Umweltverschmutzung bei. So ist die Haltung von Kühen und Rindern beispielsweise ein riesiger Faktor in puncto Treibhausgas-Emissionen. Zudem werden jeden Tag hektarweise Wälder vernichtet, um Weideflächen für Tiere zu erzeugen. Laut des Weltagrarberichtes sind mehr als zwei Drittel der weltweiten Agrarfläche Weideland. Und die Gefahr des Aussterbens von Wildtieren und Wildpflanzen steigt damit täglich.
Fairerweise sei hier angemerkt, dass auch nicht jedes vegetarische und vegane Produkt automatisch gut für die Umwelt ist. Auch für Palmöl werden Regenwälder abgeholzt, hippe Mandelmilch ist aus Ökobilanzgesichtspunkten eher ein Desaster als eine Wohltat und für die Mengen an Avocados, die mittlerweile verzehrt werden, braucht es seenweise Wasser. Heißt: Auch Veganer sollten sich gut informieren und ihre Konsumentscheidungen immer wieder hinterfragen.
Unterm Strich ist der Hebel durch den Verzicht auf Fleisch- und Milchprodukte zum Schutz der Umwelt beizutragen aber wesentlich höher und auch hier gilt: Wir können mit jeder Konsumentscheidung etwas (zum Guten) ändern!
Ist es schwer, vegan zu leben?
Eine der größten Hürden für viele ist die Vorstellung, dass es doch sehr kompliziert sein muss, vegan zu leben. Um einen Spruch von einem geschätzten Kollegen von mir zu zitieren: Die Antwort ist darauf ein klares Jein! An und für sich ist gar nicht schwer, sich vegan zu ernähren – es ist einfach eine Entscheidung. Eine Entscheidung, die im Alltag allerdings manchmal zur Herausforderung wird.
Wenn wir beschließen, unsere Ernährung umzustellen, dann machen wir einen Veränderungsprozess durch, und das kann manchmal ungewohnt und unbequem sein. Oft sehen wir uns sozialen Zwängen gegenüber gestellt (die Essenseinladung von Freunden, die eben keine Veganer sind), mangelnden Möglichkeiten (es wäre schön, aber es ist definitiv nicht so, dass vegane Produkte und Gerichte überall verfügbar sind) oder schlichtweg alten, lieb gewonnenen Gewohnheiten (die Stadion-Wurst, das Stück Käse nach dem Essen oder das Spaghetti-Eis in unserer Lieblings-Eisdiele). All das sind echte Herausforderungen. Aber, und das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen: Es sind Herausforderungen, die mit jedem Mal, wenn man sie gemeistert hat, ein Stückchen einfacher werden. Irgendwann hat man eine Selbstverständlichkeit erreicht, die bedeutet, dass man nicht in jeder Situation wieder von vorne anfangen muss.
To be vegan or not to be – keine Freundschafts-Frage
Zurück zum Anfang: Natürlich verliert man nicht wirklich seine Freunde, wenn man Veganer wird! Ja, vielleicht muss man die hochgezogenen Augenbrauen ab und an aushalten und sicherlich braucht es auf beiden Seiten ein gewisses Maß an Flexibilität bei gemeinsamen sozialen Erlebnissen (zumindest dann, wenn Essen im Spiel ist).
Aber ich will an dieser Stelle unbedingt eine Lanze für meine tollen Freunde brechen, die, obwohl sie selbst mehrheitlich keine Veganer sind, meine Ernährung nicht dauernd hinterfragen. Und ich wiederum versuche ebenso wenig, sie durch Worte und Brandreden zu bekehren. Wir lassen uns einfach gegenseitig so sein, wie wir sind – immer offen für die Option, voneinander zu lernen. Und das ist doch eigentlich die beste und schönste Form von Akzeptanz.
Die Vorgeschichte zu dieser Geschichte
Ich liebe ja persönliche Experimente und Herausforderungen (s. beispielsweise meine Meditations-Challenge). Diesmal wollte ich für die Fastenzeit wissen, ob ich wirklich komplett vegan leben könnte. Zugegebenermaßen bin ich nicht von Null gestartet – ich lebe eigentlich bereits seit gut zwei Jahren schwerpunktmäßig vegan. Aber eben nur schwerpunktmäßig. Ein Käsebrot hier, ein Stück Kuchen da… ein bisschen Flexibilität habe ich mir immer bewahrt. Wie aber würde es sich anfühlen, die letzten Meter auch noch zu gehen?
Das Fazit meines Experimentes: Wenn man sich einmal entschieden hat, das Ganze durchzuziehen, ist es einfacher als gedacht. Es gab nur wenige Situationen, in denen ich schwach geworden bin – entweder aus Mangel an Alternativen (bevor ich hungere muss einfach wirklich viel passieren) oder um jemanden eine Freude zu machen (siehe das Beispiel des Dalai Lama). Aber es waren wirklich nur wenige Momente, in denen ich ein Auge zudrücken musste. Alles in allem habe ich das Ganze durchgezogen und werde jetzt auch dabei bleiben. Wobei ich nach wie vor keine kategorischen Aussagen treffen werde und ich es mir (wie auch in den letzten Wochen) weiterhin offen halte, nach meinem Gefühl in der jeweiligen Situation zu entscheiden.
Starre Konstrukte haben sich für mich noch nie gut angefühlt und das ist auch hier nicht anders. Jeder sollte immer sein Möglichstes tun – und dabei mit sich selbst und anderen stets nachsichtig sein.
Mich interssieren vegan Kochbücher. Mir ist wichtig, dass regionale Produkte verwendet werden und saisonal gekocht werden kann. Herzlichen Dank und einen schönen Abend. Die Gärtnerin mit dem gruenen Daumen
Hey, das freut mich zu hören! Schau dir mal die Bücher von Nicole Just an, das könnte was sein. Die Bücher von Deliciously Ella sind auch sehr gut, allerdings nicht speziell regional/saisonal ausgerichtet. Anna Jones hat auch zwei sehr gute Kochbücher, die allerdings auch vegetarische Rezepte beeinhalten, die man aber leicht variieren kann. Ein tolles Buch für Frühstück ist „Vegan frühstücken kann jeder“. Viel Spaß beim Kochen 🙌
Sehr toller Beitrag :). Vor allem den ersten Absatz kann ich sehr gut nach empfinden! Bleib bei deiner Denkweise, denn die ist nämlich toll! Liebe Grüße
Danke dir! Und tut gut zu hören, dass es anderen ähnlich geht! Liebe Grüße zurück
Na ja, Weißwürscht san ja praktisch scho vegetarisch (wenn auch nicht vegan). Würde ich mal behaupten, wobei mir u.a. Töchter heftig widersprechen die, wenn auch nicht vegan, sich doch seit der Pubertät zur vegetarischen Lebensweise bekennen. Und ja, sie mußten und müssen sich einiges anhören. Es kommt natürlich auf die eigene kämpferische Haltung an, die eine war recht gern bereit auch ihrerseits streitbar darauf einzugehen, die andere nahm’s lässig. Auf Fleisch zu verzichten war ihnen einfach, aber auf Käse (oder schon beim Frühstück die Milch), unseren geliebten Käse hier in unserem wiesenbestandenen Voralpenland? Würde mir auch extrem schwerfallen, wennglich ich auch zum Fleisch (nein, Weißwürste und andere Würste mag ich gar nicht so besonders) stehe, insbesondere dem unmittelbar, ländlich direkt gewonnenen. Ökobilanzmäßig nicht perfekt, o nein, aber tatsächlich ist hier der Lebensraum der Tiere in Wald, Wasser und auf Wiesen, die teils gar nicht für (noch mehr) Ackerbau geeignet sind. Abschweifung, das war gar nicht gefragt.
Vielmehr ja, es ist für den Vegetarier und mehr noch den Veganer nicht ganz leicht, dazu kommt, daß nur städtische Umwelten sich auf diese Kunden eingestellt haben und wir hier doch etwas ab vom hier z.B. auch so gut wie nicht gehörten Schuß sind.. Als Fruktarier kanns einer probieren, aber mein ungespritztes Obst hat regelmäßig tierische Bewohner! – so, ich muß zum Essen, allerdings hat der Sohn gekocht und da ist schon klar, was auf den Tisch kommt (die Mädchen sind ja gar nicht da und wurden somit nicht gefragt, mein Beitrag war der Tomatensalat.)